Wenn man zum einen vom Fliegervirus gepackt und gleichzeitig Spaß am Basteln hat, kommt irgendwann die Idee auf, dass man einen Flieger auch selber bauen könnte. Im Vorfeld hatte ich unzählige Male das Internet nach Gebrauchtflugzeugen und Flugzeugtypen durchsucht und erkundet, was für ein Flieger zu mir passen könnte. Irgendwann stolperte ich über einen Flugzeugtyp namens Cherry BX2, eine Konstruktion aus der Schweiz, sportlich mit Einziehfahrwerk und nur als Selbstbau erhältlich. 2010 nahm ich Kontakt zu dem vorherigen Cherry Betreuer Wolfgang Spang auf, informierte mich über Aufwand und Kosten. Wolfgang gab mir den Tipp ein zum Verkauf stehendes angefangenes Projekt aus  Schweiz anzuschauen. Ich traf ich die Entscheidung: Die muss es sein. Zum Glück wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was dieser Entschluss bedeutet – unendlich viele Stunden an Arbeit, Schweiß, Staub, Hautausschläge (unbedingt Schutzmassnahmen einhalten), schlaflose Nächte. Vorneweg, wenn dann aber irgendwann der selbstgebaute Flieger fertig in der Garage steht, mit vorgeschriebenem Typenschild und den Herstellerangaben mit dem eigenen Namen drauf, als Flugzeugkennung D-ENTG die eigenen Initialen, dann ist man schon mächtig stolz. Und es ist ein geiles Gefühl, dass man es geschafft hat. Doch der Reihe nach.

Im Sommer 2010 ging es los. Die Cherry wird nur nach Plänen gebaut und ist somit kein KIT. Alles wird von Grund auf nach einem Zeichnungssatz und einer Baubeschreibung von 200 Seiten hergestellt. Der Plansatz ist recht günstig und mein Projekt startete auch nicht mehr von null. Das Flugzeug in der „Echo“-Klasse ist ein Leichtmotorflugzeug, 2-sitzig nebeneinander, in Kompositbauweise aus Holz, Styrofoam, Glasfasern und Epoxidharz. Tiefdecker mit schnell demontierbaren Flügeln und Einzieh-Bugrad-Fahrwerk; Landeklappen, deren Bewegungen in reduziertem Maße auch dem Querruder übertragen werden; Pendelhöhenruder mit Antiservoklappe; Lenkbares Bugrad mit Hohlgummifeder; Hauptfederbeine aus Glasrovings mit Holzkern; hydraulische Bremsen simultan mit Handhebel betätigt; Vollsichtcapot, nach vorne schiebend; Seitenruder mit Seilen, Höhen und Querruder mit Stangen angetrieben. Als Antrieb entschied ich mich für einen Motorradmotor BMW GS1200 zwei Zylinder Boxer mit 100 PS. Prinzipiell ein robuster Motor, tausendfach gebaut, günstig, sparsam mit Einspritzsystem, jedoch kein klassischer Flugzeugmotor. Der Aufwand für die komplette Bauzeit ist mit 3.000 bis 5.000 Stunden veranschlagt. Um das Flugzeug fertig zu bauen, brauchte ich eine Strategie. Meine Strategie war: Werkstatt direkt im oder am Wohnhaus; Jeden Tag was machen – und wenn es nur eine halbe Stunde ist; Morgenstund’ hat Gold im Mund, um 4 Uhr aufstehen und Arbeit vor der Arbeit. Am Wochenende kamen da schon 5 Stunden zusammen, bis der Rest der Familie in die Gänge gekommen war;  Die Familie durfte trotz des aufwändigen Hobbys nicht zu kurz kommen; Netzwerk aufbauen und Kontakt mit anderen Cherry-Bauern weltweit halten, um effiziente Lösungen und Hilfe zu bekommen. Die Fehler, die andere schon gemacht haben, braucht man nicht zu wiederholen. Irgendwann habe ich es dann aufgesteckt, die Arbeitsstunden zu zählen. Los geht es mit der Herstellung von Metallteilen. Als gelernter Werkzeugmacher geht es auf der Drehbank und Fräsmaschine schnell voran. Weiter mit den Holz Arbeiten. Schon eine Sache für sich. Hier ist exaktes Arbeiten sehr gefragt. Darüber hinaus die richtige Verarbeitung der Kleber bei Einhaltung der richtigen Temperaturen. Vieles baut man zweimal, da die Erfahrung fehlt, man noch nie vorher ein Flugzeug gebaut hat oder man einfach nicht zufrieden ist. Alles muss perfekt und sicher sein. Die Arbeit zieht sich zwei Jahre hin. Dann geht es los mit dem Finish der Oberflächen. Eine unendliche Geschichte. Langsam bekomme ich eine Hautallergie und Atemprobleme. Epoxy ist nicht gerade gesund, und nach der vielen Arbeit damit schält sich die Haut schon beim Ansehen der Behälter. Hier darf man den Arbeitsschutz nicht vernachlässigen. Irgendwann ist jedoch auch diese Arbeit geschafft, und die Lackierung der Teile steht an. Es ist toll, wenn der Flieger noch ohne Antrieb so vor einem steht. Der nächste Bauabschnitt ist der Bau des Motorträgers und der Einbau der Antriebseinheit, Elektronik, Verkabelung der Instrumente. Auf jeden Fall ist alles sehr vielfältig und man lernt handwerklich unheimlich dazu. Im Herbst alles auf einen Hänger gepackt und zu meinem Prüfer nach Aschaffenburg gefahren. Dort erfolgte im Dezember 2013 die Endabnahme. Soweit alles okay.

Nach der Bodenerprobung Anfang 2014 kommen im April 2014 die begehrten Papiere vom LBA: VVZ, Vorläufige Verkehrszulassung „Permit to Fly“ mit Zulassung der Erprobungspiloten Thomas & Thomas, Kämmerer & Gschwind. Den Erstflug lasse ich mir nicht nehmen. Am 4. Mai 2014… ist es so weit, kein Wind, strahlend blauer Himmel. Als ich meiner Frau am Morgen vor dem Erstflug noch sage, im Auto sei der Feuerlöscher, ein Verbandskasten und eine Brandaxt, fällt ihr der Kinnladen runter. Trotzdem hat sie aber Vertrauen in mich und in meine Arbeit. Meine Frau auf sicherem Boden, meine Fliegerfreunde im Turm und auf dem Platz sind in ständiger Rufbereitschaft. Fallschirm angezogen und auf die Bahn gerollt. Jetzt wird’s ernst. Klappen gesetzt und Vollgas. Der Flieger setzt sich in Bewegung, und wie es auch sein soll, hebt er vor Bahnmitte ab. Noch vorsichtige Ruderausschläge, ein paar Kreise über dem Platz. Gleich schon der erste Test des Einziehfahrwerks und nach etwas über einer halben Stunde wieder der Anflug auf die 08. Die erste Landung, ja eigentlich kein Problem, die Cherry fliegt sich wie ein anderes Flugzeug. Nach der Landung kommt neben der Erleichterung aber eine riesige Freude auf. War Angst im Spiel? Nicht wirklich, mehr eine hohe Konzentration auf den Erstflug hin. Am Abend und in der Nacht zuvor immer wieder die Gedanken: Habe ich an alles gedacht und auch nichts vergessen?! Seither fliege ich mit der VVZ, der Vorläufigen Verkehrszulassung zur Durchführung der Flugerprobung. Es sind viele auch etwas heikleren Tests wie Flatterverhalten, Minimalgeschwindigkeiten in Reise und Landekonfiguration geradeaus und in der Kurve zu fliegen. Soweit ging alles glatt. Wie fliegt sich die Cherry? Die Cherry spricht auf Steuerbewegungen sehr gut an, ist schnell und wendig, braucht aber insbesondere bei bockigem Wetter ihre Aufmerksamkeit. Im Landeanflug bei höherer Beladung braucht man aufgrund der geringen Spannweite von nur 7 Metern genug Speed, damit sie sich nicht zu abrupt setzt. Ansonsten hat sie ein gutmütiges Verhalten auch beim Abfangen nach Stall Speed. In der Luft braucht man auch im Kurvenflug kaum Seitenruder aufgrund des ausgewogenen Querruders. Was war heikel bei der Erprobung? Der BMW Motorradmotor braucht erst mal einiges an Aufmerksamkeit und Abstimmung, wie beispielsweise die Entwärmung, was die Überwachung sämtlicher Temperaturen notwendig macht. Weitere Punkte waren die Verstärkung der Motor-Getriebe-Befestigung und die Überwachung der Fliehkraftkupplung. Jetzt scheint alles zu passen, und der Motor verwöhnt mit einem Kraftstoffverbrauch von nur 11 L/h @ 100 kts oder 16,5 L/h @ 120 kts und springt auf Anhieb selbst bei eisigen Temperaturen an. Bei „Full Throttle“ geht es ordentlich zur Sache mit >130kt – was richtig Spaß macht. Die Erprobung inklusive Schallschutz ist erledigt, das Betriebshandbuch ist überarbeitet und das Nachfliegen eines LBA-Piloten, was einen Ausflug nach Braunschweig notwendig gemacht, hat ist erledigt. Fliegerisch hatte ich schon viel Spaß mit der Cherry bei Ausflügen in der näheren Umgebung  und auf Touren nach Südfrankreich, Österreich  Wangerooge und Bulgarien. Der Flieger ist für das Reisen gemacht. Würde ich noch einmal ein Flugzeug bauen? Fliegen macht Spaß, und das Basteln gehört bei mir auch dazu. Ein Holzflugzeug nur nach Plänen und mit einem nicht für das Fliegen entwickelten Motor, ist aber schon mit gewissem Aufwand verbundenWie dem auch sei, es ist geschafft hat riesen Spass gemacht und jetzt wird geflogen. Das Basteln geht trotzdem weiter.